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Greenlyte Carbon Technologies Greenberry 2
Filter setzen Wissenstransfer

Direct-Air-Capture: Die Inno­vation aus Deutsch­land heraus an­treiben

Um die globale Erwärmung auf unter zwei Grad zu senken, müssen bis 2050 jährlich rund zehn Gigatonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden. Gelingen soll das unter anderem über sogenannte Direct-Air-Capture-Anlagen (DAC), hochspezialisierte CO2-Filteranlagen. In Essen ist vor gut anderthalb Jahren mit Greenlyte Carbon Technologies ein junges Unternehmen an den Start gegangen, das in einem bislang einzigartigen chemisch basierten DAC-Verfahren CO2 filtert und zugleich Wasserstoff als Nebenprodukt erzeugt. Florian Hildebrand, Mitgründer und CEO von Greenlyte, erläutert die Hintergründe im Interview.

Gefördert im Rahmen der Umweltwirtschaftsstrategie: Umweltwirtschaft Green Economy - stark in NRW
  • Herr Hildebrand, worum geht es bei Greenlyte?

Florian Hildebrand: Unser Mitgründer, Dr. Peter Behr, hat eine Technologie entwickelt, mit der wir CO2-Moleküle sehr effizient aus der Luft absorbieren können. Und zwar so schnell, dass ungefähr die Hälfte des CO2 in der Umgebungsluft aufgenommen wird, bevor es in die Atmosphäre steigt. Technisch ist das sehr herausfordernd, weil die CO2-Konzentration in der Luft zwar zu hoch ist, aber mit 0,04 Prozent insgesamt nur einen ganz kleinen Teil ausmacht. Wir suchen also die Nadel im Heuhaufen, aber wir machen das sehr effizient. Man kann sich das vorstellen wie eine Art Staubsauger.

  • Um im Bild zu bleiben: Was passiert nach dem Einsaugen?

Florian Hildebrand: Dann starten wir das Staubsaugerbeutel-Reinigungsverfahren. Bei uns ist das eine Elektrolyse, an deren Ende CO2 als Gas sowie reiner Wasserstoff freigesetzt werden. Das ist der Trick beim Direct Air Capture: Du hast am Anfang 0,04 Prozent CO2 und am Ende 99,99 Prozent hochkonzentriertes CO2, mit dem man weiterarbeiten kann. Das Besondere an unserem Verfahren ist die Wasserstoff-Elektrolyse. Unter den weltweit ungefähr 120 DAC-Firmen sind wir die einzigen, die so arbeiten.

„Wenn man das, was wir machen, in Deutschland machen will, dann auf jeden Fall hier. Allein was es hier an Technologie-Unternehmen gibt. Wir hatten gerade ein Gespräch mit dem CEO von IFM, wir arbeiten mit Evonik.“

Florian HildebrandMitgründer und CEO von Greenlyte
  • Was machen Sie da genau?

Florian Hildebrand: Die Absorption erfolgt entweder über ein flüssiges oder ein festes Verfahren. Die Firma Climeworks, das derzeit wohl größte DAC-Unternehmen, hat ein festes Absorptionsverfahren. Und da stellt sich die Frage: Wie reinigt man den Beutel? Das macht man entweder, indem man alles energieintensiv auf 600, 700, 1000 Grad erhitzt. Oder man macht es elektrochemisch. Wir kombinieren das mit einer Elektrolyse, aus der auch Wasserstoff hervorgeht. Das ist einer von drei Clous unserer Technologie.

  • Und die beiden anderen?

Florian Hildebrand: Zum einen die sehr schnelle Aufnahme des CO2; unser Sauger ist also sehr effizient. Außerdem ist er selbstreinigend. Bei anderen ist der Staubsauger voll und muss sofort entleert werden; man kann nicht weitersaugen. Wir nutzen eine chemische Ausfällungsreaktion, die Kristallisation, bei der sich der Sauger im Endeffekt selbst säubert. Das heißt, er kann Tag und Nacht absorbieren. Und nur, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht, schalten wir die Wasserstoff-Elektrolyse dazu. Wir haben also die Möglichkeit, beide Prozesse voneinander zu entkoppeln. Und weil wir eine relativ geringe Ausgangsenergie brauchen, können wir in allen Regionen der Erde Renewables nutzen. 

  • Die DAC-Branche hadert mit dem Vorwurf, zu energieaufwendig zu sein. Wie ist das bei Greenlyte?

Florian Hildebrand: Wir brauchen in der Theorie etwa fünf Mal weniger Energie als Climeworks. An der Grundenergie selbst kommt man nicht vorbei. Die Frage ist also, wie man diese Energie möglichst reduziert. Wir schaffen das, weil wir mit dem erzeugten Wasserstoff ein Molekül haben, in dem wieder Energie drinsteckt. Die zweite Frage lautet: Woher kommt die benötigte Energie? Und da können wir durch die Entkopplung der beiden Verfahrensschritte perfekt mit Sonnen- und Windstunden arbeiten, ohne dass wir dazu große Zwischenspeicher bräuchten. 

  • Und was geschieht am Ende mit dem hochkonzentrierten CO2?

Florian Hildebrand: Da gibt es drei Applikationen. Das eine ist die Direktnutzung, etwa in der pharmazeutischen oder der Lebensmittelindustrie. Dann ist da das Thema Konversion, also die Umwandlung in Kunststoffe oder auch E-Fuels. Sustainable Aviation Fuel ist ein wichtiges Thema für die Dekarbonisierung des Flugverkehrs. Und dafür brauchst du CO2 und Wasserstoff. Auf dieses Thema schauen wir also sehr genau. Und man kann negative Emissionen schaffen, indem man das CO2 unter der Erde verpresst oder als Zusatzstoff bei der Verarbeitung von Beton nutzt.

Die Pilotanlage Greenberry 2 läuft seit 2023 und filtert im Jahr 100 Tonnen CO2 aus der Luft.

  • Ihre Pilotanlage Greenberry 2 läuft seit Herbst 2023 und kommt auf eine Filterleistung von 100 Tonnen CO2 im Jahr, das entspricht der Arbeit von 10.000 Bäumen. Wie geht es weiter?

Florian Hildebrand: Wir werden im Sommer eine neue Generation an den Start bringen. Etwas kleiner, leichter und modular. Wir liefern Ende des Jahres eine Anlage nach Kanada und mussten deshalb die Anlagengröße überdenken. Wenn sich das neue Design bewährt, können wir künftig alle Größen abbilden. Außerdem forschen wir derzeit intensiv an der Energieeffizienz und der Industrialisierung der Komponenten. Unser Ziel sind Kosten von 80 Euro pro Tonne CO2, immer davon ausgehend, dass wir den Wasserstoff auch verkaufen.

  • Wasserstoff ist in der Region ein wichtiges Thema. Welche Vorteile hat der Standort Ruhrgebiet?

Florian Hildebrand: Wenn man das, was wir machen, in Deutschland machen will, dann auf jeden Fall hier. Allein was es hier an Technologie-Unternehmen gibt. Wir hatten gerade ein Gespräch mit dem CEO von IFM, wir arbeiten mit Evonik. Wir haben bislang über 20 Millionen Euro an Investoren- und Fördergeldern bekommen. Das ist viel in 18 Monaten. Aber amerikanische Firmen bekommen zwei- oder dreimal so viel, da muss man sich behaupten. Hinter unserem Verfahren stehen chemische Prozesse, die in den letzten 100 Jahren vor allem von Unternehmen in NRW und im Ruhrgebiet betrieben wurden. Unsere Stärke kann es sein, dass wir neue Ideen und neue Technologien, die auf alten Prozessen beruhen, zusammenbringen. Dass wir darüber Geschwindigkeit aufbauen, dass wir bestehendes Know-how mitnutzen. Und: 90 Prozent unserer Komponenten kommen aus der Region. Das weiterzuentwickeln, ist auch eine Chance, das ein oder andere neue Geschäft für NRW oder das Ruhrgebiet zu realisieren. Wir können die Innovation aus Deutschland heraus antreiben. Und das wollen wir zeigen. 

  • Gibt es Mitbewerber im Ruhrgebiet?

Florian Hildebrand: Im Ruhrgebiet nicht. Es gibt in Deutschland etwa vier Firmen, alle mit unterschiedlichen Konzepten. Aber mal ehrlich: Wir müssen bis 2050 zehn Gigatonnen CO2 aus der Luft ziehen. Sollte Greenlyte das sehr ambitionierte Ziel von 100 Megatonnen bis dahin schaffen, ist das gerade mal ein Prozent von dem, was nötig ist. Daher kann man nur jedem Mitbewerber die Daumen drücken, dass er halbwegs Größe erreicht. Die CO2-Reduktion ist einfach eine unglaubliche Herausforderung für uns alle. 

Interdisziplinäre Kompetenz

Greenlyte Carbon Technologies wurde 2022 von dem Chemiker Dr. Peter Matthias Behr, dem Maschinenbau-Ingenieur Florian Hildebrand und Dr. Niklas Friederichsen (Industrial Engineering) gegründet. Behr hatte bis dahin 15 Jahre zum Thema an der Universität Duisburg-Essen geforscht.

Text: Redaktionsbüro Schacht11  
Bilder: Greenlyte Carbon Technologies

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