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„Man muss die ver­schiedenen Sektoren zusammen­führen, damit das Gesamt­system nach­haltig dekarbo­nisiert werden kann.“

Wärme, Strom, Gas, erneuerbare Energien und Wasserstoff: Die Energiewende sei eine „ganzheitliche Fragestellung“, die es erforderlich mache, bislang voneinander getrennte Sektoren gemeinsam zu betrachten, sagt Dipl.-Ing. Jörn Benthin. Und der Leiter des Teams Adaptive Energiesysteme am Gas- und Wärme-Institut Essen e.V. (GWI) ergänzt die Aufzählung noch um eine weitere, wesentliche Komponente: die Digitalisierung des Energiesektors. Und mit genau diesem Anspruch – gemeinsame Analyse, gemeinsame Optimierung, digitale Vernetzung – baut das GWI auf seinem Gelände seit gut sieben Jahren eine eigene, smarte Energienetz-Infrastruktur auf. Als Reallabor, als „Living Lab“, macht das Institut experimentelle Untersuchungen unter nahezu realen Bedingungen möglich und versteht sich zudem als „Schaukasten“ der Energiewende. Ein in seiner Komplexität einmaliges Angebot in der Region. 

Gefördert im Rahmen der Umweltwirtschaftsstrategie: Umweltwirtschaft Green Economy - stark in NRW

Wie kann man ein nachhaltiges Energiesystem der Zukunft intelligent betreiben? Um das herauszufinden, stellt das GWI mögliche Komponenten eines solchen Systems im Rahmen von Forschungs- und Industrieentwicklungsvorhaben zur Verfügung. Seit 2017 treibt das Institut zudem gezielt die Vernetzung und Digitalisierung dieser hauseigenen Energienetz-Infrastruktur voran. Jörn Benthin: „Grundsätzlich wurde am GWI, einem der ältesten praxisorientierten Forschungsinstitute in Deutschland, natürlich schon immer geforscht. Aber für mich erschien es damals logisch, dass man die Komponenten in einen intelligenten Gesamtkontext setzt und über eine Kommunikations- und Dateninfrastruktur miteinander verknüpft. Denn letztlich muss man die verschiedenen Sektoren zusammenführen, damit das Gesamtsystem nachhaltig dekarbonisiert werden kann.“ Das „Living Lab“ will demonstrieren – wie sich mit „intelligenter Verschaltung verschiedenster Einzelsysteme ein resilientes und flexibles Gesamtsystem erschaffen lässt“. Heißt übersetzt: Am GWI lassen sich sowohl das Zusammenspiel innovativer Energie-Technologien innerhalb eines SmartGrids untersuchen als auch die Optimierung einzelner Systeme.

14.000 qmhochmodernes Forschungsgelände

Die Infrastruktur des Reallabors ist dabei in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen und, wenn man so will, längst noch nicht zu Ende gedacht, sondern entwickelt sich abhängig von den Projekten stetig weiter. In Sachen Hardware überzeugt das GWI schon jetzt mit einer großen Vielfalt bis hin zu semi-industriellen Skalierungen, Innovation und teils sogar mit Exklusivität. So gibt es vor Ort neben KWK-Systemen, Wärmepumpen, Photovoltaik-Anlage und Batteriespeichersystemen beispielweise auch eine LNG-Technikumsanlage, ein PtX-Demonstrationszentrum sowie eine tubulare Brennstoffzelle mit nachgeschalteter Mikro-Gasturbine – ein sogenanntes Hybrid-SOFC-System, ein in Europa bislang einzigartiger Prototyp in dieser Leistungsklasse. Tatsächlich ist das komplette Institut eine einzige Messstation. Und in diesem bemerkenswerten Gesamtsystem zählt selbst das kleinste Element: Wo immer möglich, erfassen auf dem ca. 14.000 m2 großen Gelände hochmoderne, autarke IoT-Systeme (IoT – Internet of Things) und verschiedenste Messsysteme alle möglichen energiebezogenen Daten. „Bei uns werden über smarte Messsysteme sämtliche Energieströme gemessen, wir haben auch eine eigene Wetterstation, und wir erfassen sogar den Transformator am Netzanschluss des Instituts.“

All diese Daten bilden in Verbindung mit einer dezentralen Kommunikationsinfrastruktur, in der selbst Straßenlaternen als smarte Access Points fungieren, die Grundlage für die Arbeit im „Living Lab“. Denn: „Aufbauend auf diesen Daten erhält man einen Ist-Zustand und kann nun daran gehen, diesen zu optimieren und dabei den CO2-Footprint möglichst gering zu halten.“ Projekte, Ideen und Entwicklungen profitieren dabei vom gesamten Kreislaufsystem der GWI-Plattform – von der Hardware, der Software, der intelligenten Datenvernetzung sowie vom ingenieurstechnischen Know-how und der Monitoring-Expertise der GWI-Ingenieure. Zentrale Fragen lauten etwa: Welche Anlagen können sinnvoll miteinander kombiniert werden? Und welche Daten werden jeweils von den einzelnen Komponenten benötigt, um das bestmögliche Ergebnis zu erhalten?

Zentraler Gedanke des „Living Lab“, resümiert Benthin, sei es, aufzuzeigen, „was es schon gibt, was wird anderweitig erforscht, wie das vielleicht zur eigenen Arbeit passt und was im Gesamtbild in Sachen Energiewende noch fehlt“. Als „Netzwerkknoten“ auch mit Bedeutung über das Ruhrgebiet hinaus habe das GWI dabei auch auf- und erklärende Funktion. „Uns geht es darum, dass die unterschiedlichen Bereiche des Energiesektors gemeinsam an einer intelligenten Energiezukunft arbeiten, gemeinsam Lösungsansätze ausprobieren, voneinander lernen und aufeinander aufbauen. Deshalb entwickeln wir im Rahmen der öffentlichen Forschungsförderung auch Open-Source-Lösungen für die Modellierung und die Simulation, die zur freien Verfügung stehen, und teilweise werden auch die Ergebnisse unserer Projekte als Open-Data zur Verfügung gestellt.“ Ein nächster Schritt im „Living Lab“ könnte etwa das Thema Machine Learning und in weiteren Schritten der Einsatz von KI sein. „Das würde das ganze Projekt auf die nächste Ebene heben, aber dafür brauchen wir Fachleute aus der Region.“ 

Geforscht und gearbeitet wird dabei im virtuellen als auch unter „semi-realistischen Bedingungen“. „Das heißt, wir können diese Anlagen so belasten, als würden sie in der Realität irgendwo in einem Einfamilien- oder Mehrfamilienhaus stehen. Dahinter sind sozusagen künstliche, virtuelle Verbraucherinnen und Verbraucher geschaltet, die Strom, Gas und Wärme benötigen, die sich also verhalten wie echte Verbraucher.“ Realisieren lassen sich auch gemischt virtuell-reelle Systeme bis hin zu virtuellen Zwillingen. „Wir können eine Anlage vor Ort so betreiben, als wenn sie irgendwo in einem Stadtteil stünde. Entweder haben wir dort schon ein Monitoringsystem installiert, dann könnten wir das dortige Verhalten oder die Bedarfsseite erfassen und projizieren. Oder wir nutzen vollständig eigene Simulationsmodelle des Stadtteils, einen Digital Twin, und simulieren das Verhalten etwa über Wetterdaten.“ Der Vorteil hier: Man geht mit einem noch nicht gänzlich ausgereiften Energiesystem ein deutlich geringeres Risiko als in einer realen Umgebung ein. Denn nimmt das System dort Schaden bedeutet das zusätzliche Kosten – abgesehen von „Qualitäts- und Komfortverlusten für Verbraucherinnen und Verbraucher“.

„…Wir können diese Anlagen so belasten, als würden sie in der Realität irgendwo in einem Einfamilien-​ oder Mehrfamilienhaus stehen. Dahinter sind sozusagen künstliche, virtuelle Verbraucherinnen und Verbraucher geschaltet, die Strom, Gas und Wärme benötigen, die sich also verhalten wie echte Verbraucher.“

Dipl.-​Ing. Jörn BenthinLeiter Adaptive Energiesysteme, Gas-​ und Wärme-​Institut Essen e.V. (GWI)

Wissensaustausch und gemeinsame Projekte also als Basis für die Energiewende. Mit diesem Ansinnen, so Benthin, sei das GWI im Ruhrgebiet genau an der richtigen Stelle: „Essen ist die Energiehauptstadt Deutschlands, wenn nicht sogar Europas. Hier sind die größten Energieplayer, die es in Deutschland und in Europa gibt. Hinzu kommt, dass natürlich auch einige der größten Industrieunternehmen Deutschlands hier sitzen – für die Bereitstellung von Energie, Verteilung von Energie, aber auch als energieintensive Verbraucher. Und das ist genau die Mischung, die es braucht, um die gesamte Problemstellung darzulegen. Da kann es aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven auf das Gesamtthema zu Reibungspunkten kommen. Aber da ist auch enormes Potenzial zur Zusammenarbeit. Und dann sind hier im Ruhrgebiet die Wege kurz, um diese Themen zu diskutieren und gemeinsam nach Lösungen zu forschen. Zum Beispiel am GWI.“

Schaukasten für die Energiewende

Seit mehr als 85 Jahren erforscht das Gas- und Wärme-Institut Essen e.V. (GWI) zukunftsweisende Energiethemen – und vermittelt sein Wissen weiter. Aktuelle Erkenntnisse aus Forschung und Entwicklung fließen zum Beispiel in regelmäßige Veranstaltungen ein. Zudem bietet das Institut auch die Möglichkeit zur beruflichen Aufstiegsqualifizierung und Weiterbildung im Energiesektor.

Text: Redaktionsbüro Schacht11  
Bilder: GWI Essen

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