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Filter setzen Metropole Ruhr

Turbonik Herten: Viel Strom aus wenig Dampf

Viele industrielle Prozesse benötigen Dampf, der mit großem Energieeinsatz erzeugt wird. Daher ist es umso wichtiger, die im Dampf enthaltene wertvolle Energie bestmöglich zu nutzen. Das Hertener Unternehmen Turbonik stellt Mikro-Dampfturbinen her, die erstmals die rentable Stromerzeugung im Leistungsbereich bis 300 Kilowatt ermöglichen – und dies sogar aus wenig Dampf. Eingesetzt wird diese Turbine bereits in einer Müllverbrennungsanlage der GMVA Niederrhein in Oberhausen. Sie erzeugt so viel Strom, dass damit bis zu 500 Vier-Personen-Haushalte in Oberhausen pro Jahr zusätzlich versorgt werden können. Kleiner, aber effizienter und nachhaltiger –  hinter dieser einfachen Formel verbirgt sich eine richtungsweisende Innovation aus dem Ruhrgebiet. 

300Kilowatt

Ob beim Brühen, Trocknen, Dämpfen oder in Kraftwerksprozessen – zahlreiche Unternehmen des produzierenden Gewerbes, in Chemieparks oder in der Energieversorgung erzeugen Dampf. Dampf, der vielfach noch über mechanische Ventile geregelt wird, wobei großes Energiepotenzial nicht genutzt wird. Speziell für die Regelung von Prozessdampf hat das Hertener Technologieunternehmen Turbonik eine Mikro-Dampfturbine (MDT) entwickelt, mit der Unternehmen ihre Energiekosten senken können – und sogar ganze Siedlungen mit Strom versorgen. Die MDT ermöglichen erstmals die rentable und CO2-sparende Eigenstromerzeugung im Leistungsbereich bis 300 Kilowatt. Für viel Strom braucht es nur wenig Dampf. 

Turbonik produziert und vertreibt diese Turbine seit 2017. „Die Geschichte reicht aber noch länger zurück“, erklärt Geschäftsführer Martin Daft. Viele Jahre Forschungsarbeit in einem Fraunhofer-Projekt zur Verstromung von Abwärme legten den Grundstein, um die neue Mikro-Dampfturbine für Wasserdampf entwickeln zu können. Schon zu Beginn der 2010er-Jahre hatte man am Oberhausener Fraunhofer Institut UMSICHT an der Optimierung von sogenannten ORC-Anlagen und Turbinen geforscht. ORC steht für „Organic Rankine Cycle“ – ein Prozess zur Erzeugung elektrischer Energie, bei dem Abwärme ein organisches Medium über einen Verdampfer erhitzt. Schon bei relativ niedrigen Temperaturen wird hier ein hoher Dampfdruck aufgebaut. Der Druckunterschied treibt eine Turbine und somit den Generator an. „Diese Turbinen“, so Daft, „verwendeten keinen Wasserdampf, sondern eine Art Benzindampf.“

Die Überlegung im Anschluss lautete: Was kann man mit all dem angesammelten Turbinenwissen noch machen? Das Einsatzprinzip an sich, inklusive der Verwendung von Wasserdampf, ist nicht neu: Seit über 100 Jahren gibt es bereits große Industrieturbinen für zahlreiche Anwendungen. Bei kleinen Dampfmengen aber war es mit konventionellen Turbinen bislang nicht möglich, wirtschaftlich die Energie im Dampf zusätzlich für die Stromerzeugung zu nutzen. Was fehlte, waren kleine Wasserdampf-Turbinen mit hoher Effizienz.

Die Mikro-Dampfturbinen von Turbonik richten sich nun an genau jene Unternehmen, bei denen Dampfmengen und Platzbedarf für herkömmliche Turbinen nicht ausreichen. Und punkten hier vor allem mit Leistung. „Unsere Turbinen laufen mit bis zu 50.000 Umdrehungen pro Minute, während große Dampfturbinen eher bei 12.000 bis 15.000 Umdrehungen liegen“, erklärt Daft. „Damit sind wir in diesem niedrigen Leistungsbereich extrem effizient. Das heißt, wir holen aus der gleichen Brennstoffenergie 40 Prozent mehr Strom raus als herkömmliche Maschinen.“ Läuft eine Turbonik-Mikro-Dampfturbine dauerhaft mit einer Höchstleistung von 300 Kilowatt, können damit bis zu 2,5 Gigawattstunden Strom erzeugt werden.

50.000Umdrehungen pro Minute
40%mehr Strom aus der gleichen Brennstoffenergie als herkömmliche Maschinen
2,5Gigawattstunden Strom

Ein optimiertes Schaufeldesign und die Direktkopplung von Turbine und Generator sorgen dafür, dass die MDT dabei deutlich kompakter ist als eine konventionelle Dampfturbine. „Die Maschinen passen auf eine Europalette“, erläutert Daft. „Das Laufrad bei Turbonik wiegt ungefähr 1,5 kg. Die Maschinen, die es bis dahin in diesem Leistungsbereich gab, haben Laufräder mit rund 40 kg Gewicht, sind dabei aber nicht so effizient.“ Mikro-Dimensionen also mit, vereinfacht gesprochen, Makro-Wirkungsgrad. Zukünftig wird das Hertener Unternehmen noch einen Schritt weiter gehen und eine Baugröße bis 600 kW Leistung auf den Markt bringen.

Ein aktuelles Beispiel: die Müllverbrennungsanlage der GMVA Niederrhein in Oberhausen. Beim Verbrennen des Abfalls geht es heiß her: In den vier Kesseln der Anlage herrschen Temperaturen von bis zu 1200 Grad, der zur Dampferzeugung mit hohem Druck genutzt wird. Der größte Teil dieses Dampfes wird mit Großturbinen zur Stromerzeugung und zur Bereitstellung von Fernwärme genutzt. Im Gesamtsystem dieser Anlage gab es jedoch bis 2023 noch Teilprozesse, bei denen der Dampfdruck zwischen einer Mitteldruckseite und einer Niederdruckseite nicht über Turbinen, sondern über herkömmliche Ventile geregelt wurde. Das enorme Potenzial aus diesem Druckunterschied blieb ungenutzt.

„Bei der GMVA arbeiten wir ständig daran, uns durch den Einsatz neuer Technologien und Verfahren zu verbessern und die Energieeffizienz zu steigern“, so Frank Nachtsheim, Geschäftsführer der GMVA. „Der Einsatz einer Mikro-Dampfturbine, mit der wir noch zusätzlichen Strom aus bestehenden Prozessen erzeugen können, war für uns somit nur konsequent und sinnvoll.“ Die MDT produziert hier seit 2023 Strom und trägt somit dazu bei, dass der ohnehin zur Dampferzeugung eingesetzte Brennstoff, Müll nämlich, im Sinne der Kreislaufwirtschaft noch effizienter genutzt wird. „Wir gehen in Deutschland seriöserweise davon aus, dass die Stromnachfrage weiter steigen wird“, so Daft. „Das heißt, für Kommunen und Unternehmen ist die durchgehende Bereitstellung bezahlbarer Energie ein großes Thema.“

Zielgruppe für die MDT sind dampfnutzende Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen, die ihre Stromversorgung gestalten und optimieren möchten: Neben der öffentlichen Versorgung, also etwa in Kraftwerken und Müllverbrennungsanlagen wie bei der GMVA, kann die Turbine auch von Betreibern von Prozessdampfanlagen, etwa in Papierfabriken, in Stahlwerken, in der chemischen Industrie, bei Holzverarbeitern, Automobilzulieferern und in Recyclingunternehmen eingesetzt werden. Auch in der Lebensmittel-, Futtermittel- und Pharmaindustrie wird eine große Menge an Energie in Form von Dampf benötigt, unter anderem für Trocknungsprozesse. Daft: „In der Regel ist es dort besonders wichtig, dass der verwendete Dampf sauber ist.“ Der Vorteil bei Turbonik: Die MDT sind vollständig ölfrei. Erstmals bei Dampfturbinen wird hier Wasser als Schmiermittel verwendet. „Es muss also kein Öl entsorgt werden. Und wir haben in Deutschland aufwändige Dokumentations- und Berichtspflichten gerade in Bezug auf Umweltaspekte. Wenn kein Öl verwendet wird, spart man sich damit zeitlichen Aufwand und Kosten ein.“

Die Anwendungsmöglichkeiten der MDT sind also vielfältig. Dennoch sei die Müllverbrennung der GMVA Niederrhein ein besonderes Projekt für das Hertener Unternehmen. Vor allem mit dem Ausstieg aus den Kohlekraftwerken schlummere hier ein enormes Potenzial. Daft: „Viele Kommunen sind an Müllverbrennungsanlagen beteiligt. Sie brauchen für ihre Bürgerinnen und Bürger eine sichere, saubere und bezahlbare Stromversorgung. Und da sind wir ein wichtiges Puzzleteil.“ In der Metropole Ruhr, aber auch darüber hinaus.

Regionale Kooperationen 

In diesem Projekt werden Beiträge zu mehr Energieeffizienz von drei Greentech.Ruhr-Netzwerkpartnern sichtbar: Remondis sowie die Städte Duisburg und Oberhausen sind an der GMVA Müllverbrennungsanlage beteiligt, am Fraunhofer Institut UMSICHT wurde die Mikro-Dampfturbine entwickelt, und die Turbonik GmbH hat sie in den Markt eingeführt. Dabei verbindet sich die nachhaltige Seite mit der wirtschaftlichen: Die Turbinen sind auf 20 Jahre Lebensdauer ausgelegt, während sich die Anlagen laut Turbonik in der Regel zwischen 1,5 und vier Jahren bereits amortisieren.
www.turbonik.de

Text: Redaktionsbüro Schacht11  
Bilder: Turbonik, GMVA

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